
Martina Hefter im Interview mit der Erzählzeit 2025
Welches Buch hat Ihr eigenes Leben nachhaltig geprägt – und warum?
Ich würde mal sagen, mein Leben hat kein Buch geprägt in dem Sinne, dass es mich verändert hätte. Aber ich habe trotzdem einen Lieblingsroman, über den ich immer wieder viel nachdenke und den ich auch immer wieder lese. Das ist Die Wand von Marlen Haushofer. Darin wird die menschliche Existenz auf ganz radikale Weise in ihrer Gänze, in all ihren Ausprägungen gezeigt. Denn es gibt keine schrecklichere und zugleich schönere Vorstellung als ganz alleine auf der Welt zu sein. Das ist eine Form von Freiheit, aber auch eine Form von äußerster Gefangenschaft. Die philosophischen Gedanken, die darin stecken und die ganze Menschheit betreffen, finde ich wirklich zeitlos, berührend, und auch bedrückend. Außerdem begeistert mich das Buch vom Handwerklichen. Es ist so sorgsam geschrieben.
Was wünschen Sie sich, dass Leser*innen aus Ihrem Buch „Hey guten Morgen, wie geht es dir?“ mitnehmen?
Vielleicht nachzudenken über bestimmte Formen der Ungerechtigkeit auf der Welt. Ein Nachdenken über unsere postkoloniale Verantwortung, die wir nicht nur dem afrikanischen Kontinent gegenüber haben. Vielleicht auch ein Nachdenken darüber, wie barrierefrei unsere Gesellschaft ist, oder eben gerade nicht. Ein Nachdenken darüber, wie Kunst allgemein in unserer Gesellschaft wertgeschätzt wird. Nicht zu vergessen: Ein Nachdenken über Liebe und darüber, was Freundschaft sein kann. Und vielleicht auch, sich zu fragen: Wie kann Literatur überhaupt aussehen? Muss es immer der durchgeschriebene konventionelle Roman sein? Kann man auch anders lesen und genießen? Denn mein Buch ist ja kein ganz konventionell geschriebener Roman.
Wie kann Lesen grenzüberschreitend Menschen verbinden?
Da würde ich gleich mal fragen: Wieviel wird denn im deutschsprachigen Raum übersetzt und publiziert, was aus anderen Gegenden der Welt kommt? Es müsste viel mehr Übersetzungsförderung geben, damit Literatur lesen grenzüberschreitend geschehen kann. Die Bezahlung von Übersetzerinnen und Übersetzern ist eher schlecht, die Lage ist da leider sehr prekär. Aber es gibt auch tolle Festivals, zu denen Autorinnen und Autoren aus anderen Ländern zu uns kommen. Ich denke, wir brauchen mehr Bewusstsein dafür, dass auch in anderen Ländern Bücher erscheinen. Damit es mehr Austausch gibt.
Was reizt Sie an Lesungen?
Lesungen mache ich sehr, sehr gerne. Ich finde es ganz toll, meinen geschriebenen Text nochmal in eine Form von Mündlichkeit zu bringen. Ihn hören zu lassen, wie er klingt. Dann mag ich natürlich den direkten Austausch mit meinem Publikum, und zu sehen, wie es reagiert. Ich freue mich daran, mit vielen verschiedenen Menschen Gespräche über mein Buch zu haben. Und einfach auch an ganz andere Orte zu reisen, manchmal an Orte, die ich noch nie zuvor gesehen habe.
Hat der Deutsche Buchpreis Ihr Leben verändert?
Ja, in einem gewissen Sinne hat er mein Leben verändert, indem ich jetzt sehr viel auf Reisen gehe. Ich werde auch anders wahrgenommen, also als Autorin und auch als Performerin. Der Buchpreis hat natürlich auch ein bisschen Geld in meine Kasse gespült. Es gibt aber trotzdem einen Kern in meinem Leben, der davon ganz unberührt bleibt. Ich lebe einfach genauso weiter, zum Beispiel arbeite ich schon wieder an meinem nächsten Roman und bin dabei ganz abgekoppelt. Das heißt, ich arbeite genauso an meinen nächsten Roman, wie ich am vorigen gearbeitet habe, nämlich ohne daran zu denken, wie gut das ankommen könnte. Ich gehe weiter einkaufen, ich bin auch nicht in eine Villa gezogen oder so. Insofern hat sich gar nicht so viel geändert. Man muss auch bedenken, dass dieser Ruhm des Buchpreises ja nicht von Dauer ist. Es gibt schon bald den Preis der Leipziger Buchmesse, den jemand anderes gewinnen wird. Insofern ist es gut, da auf dem Teppich zu bleiben, und zu sehen, dass dies nichts ist, was mein Leben völlig verändern wird. Das fände ich auch gar nicht so schön.
